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Reifeprüfung für Erwachsene

Es war ein Schock als 2001 bekannt wurde, dass Deutschland bei der weltweiten
Bildungsstudie unter dem Durchschnitt der Industrienationen lag. Seither gilt
Pisa als Inbegriff aller Probleme des deutschen Bildungssystems. Nun wartet die
OECD mit der Studie PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult
Competencies) auf. Diesmal sind die Erwachsenen gefragt: Fast zwei Stunden lang
werden Bürgerinnen und Bürger aus zufällig ausgewählten Gemeinden bei der Studie
ihre Kenntnisse unter Beweis stellen müssen. „Mit PIAAC wollen wir die
Kompetenzen im Erwachsenenalter erfahren“, erklärt Prof. Dr. Beatrice Rammstedt,
Leiterin der Studie in Deutschland. Über zwei Jahre hinweg arbeitete sie mit
ihrem fünfköpfigen Team am Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften an der
nationalen Umsetzung der aufwendigen Studie: Insgesamt werden bis März 2012
fünftausend Erwachsene im Alter von 16 bis 65 Jahren in Deutschland befragt.
Dafür wurden 130 Personen von TNS Infratest geschult, welche die ausgewählten
Befragten persönlich kontaktieren.Das Prozedere: Im Vorfeld der Befragung werden die ausgewählten Personen mit
einem Anschreiben und einem Faltblatt schriftlich über PIAAC und die Teilnahme
informiert. Danach suchen die Interviewer von TNS Infratest die Person auf und
vereinbaren einen Termin mit ihr – oder auch keinen, wenn die Person nicht
geprüft werden will. Da der Test relativ zeitaufwendig ist, erhalten die
Teilnehmer eine Entschädigung von 50 Euro
Einmaleins international nicht selbstverständlich
Zeitgleich werden in
weiteren 24 Ländern wie den USA, der Slowakei oder Korea die Lesekompetenz
(Literacy), Alltagsmathematische Kompetenz (Numeracy) sowie Problemlösekompetenz
im Kontext neuer Technologien wie etwa der Suche im Internet oder E-Mail-Verkehr
getestet. So könnte eine Frage auftauchen wie: „Sie kaufen zwei Packungen Kaffee
zum Preis von einem. Wieviel Prozent haben Sie gespart?“ Offensichtlich ist 50
Prozent hier die richtige Lösung, Kenntnisse, die über ein mathematisches
Grundverständnis hinaus gehen sind nicht gefragt. Ob die richtige Lösung für
jeden Befragten, vor allem aus den entwicklungsärmeren Ländern so
selbstverständlich ist, will die Studie prüfen. In dem nachfolgenden
Hintergrundfragebogen werden wichtige demografische Informationen, wie zum
Beispiel das Alter, das Bildungsniveau oder die berufliche Situation, erfasst.
Dadurch kann untersucht werden, wie die Kompetenzen über Altersgruppen,
Geschlechter und sozialen Schichten ausgebildet sind. Ungewöhnlich für eine
Studie mit dieser Dimension ist, dass auch geprüft wird, ob die Zielperson die
abgefragten Kompetenzen in ihrem (Arbeits-) Alltag überhaupt benötigt und sie
deswegen möglicherweise nur rudimentär ausgebildet sind.
PIAAC als Chance
Am Ende soll PIAAC Aufschluss über die
Bildungskompetenzen der einzelnen Länder geben. Im Idealfall kann die
Bundesregierung mit entsprechenden Ausbildungs- und Weiterbildungsprojekten
reagieren. „Die Studie ist somit für jeden Bürger von Interesse“, bekräftigt
Rammstedt das Projekt, das in Deutschland vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung unter Beteiligung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
finanziert ist. Dabei sollen die 25 Länder, die an dem „Pisa für Erwachsene“
teilnehmen, voneinander lernen, wie es auch schon Deutschland nach dem ersten
Pisa-Test vom Spitzenreiter Finnland tat. Bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses
auf der internationalen Konferenz im Oktober 2013 kann man sich mit ein paar
Übungsaufgaben, auf der Homepage des Institutes, schon einmal warm machen.
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